Kinder- und Jugendschutz hat viele Gesichter. Er spielt eine Rolle in Familie und Schule, genauso wie am Kiosk und oder bei Medienerzeugnissen. Letztere haben in den vergangenen Jahren zweifelsohne die größte Entwicklung vollzogen. So besitzt gut die Hälfte aller Grundschulkinder bereits ein Smartphone, an den weiterführenden Schulen sind es satte 95 Prozent. Da liegt es auf der Hand, dass ein Gesetz, welches zuletzt 2002 reformiert wurde, auf diese Entwicklungen hin überprüft und aktualisiert wird. Genau das versucht die Bundesregierung derzeit mit dem Jugendschutzgesetz und wird wohl wieder einmal grandios scheitern. Denn unter dem Vorwand der Modernisierung wird vor allem eines angepasst, die Hackordnung. Die derzeitige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ändert dabei nicht nur ihren Namen in Bundeszentrale, sondern wäre fortan auch direkt dem Innenministerium unterstellt. Welche Auswirkungen so eine „Fachaufsicht“ haben kann, hat die Bundeszentrale für politische Bildung erst kürzlich leidlich erfahren.(sh. taz.de/Bundeszentrale-fuer-politische-Bildung/!5750736/) Der diese Woche verabschiedete Gesetzentwurf verspricht Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten zu schützen wie auch den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte und Daten zu gewährleisten und Instrumente zur Stärkung der Medienkompetenz weiterzuentwickeln. Es geht bei dem Alterssiegel einer App zukünftig also nicht mehr nur um die dargestellten Inhalte, beispielsweise Gewalt, sondern auch um Chatfunktionen und Datenschutz. Diese Erweiterung ist sicherlich zu begrüßen. Ärgerlich nur, dass alle Kriterien in einer Altersangabe zusammenlaufen. Eltern und auch Kinder und Jugendliche werden schlicht nicht wissen, was für die jeweilige Einstufung sorgt. Anstatt also alle dafür Verantwortlichen dazu zu befähigen, sich altersgemäß im Netz zu bewegen, wird hier ein Siegel kreiert, dessen Scheitern vorprogrammiert ist. Dazu passt es auch, dass das Gesetz keinerlei(!) Präventionsmaßnahmen vorsieht. So richtig absurd wird es jedoch beim Adressat:innenkreis des Gesetzes. So sind Anbieter von den Jugendschutzmaßnahmen(z.B. der Beschwerdemöglichkeit über unangemessene Chats) ausgenommen „wenn die Film- oder Spielplattform im Inland nachweislich weniger als eine Million Nutzerinnen und Nutzer hat“(Gesetzentwurf, S. 10). Zum einen bleibt vollkommen unklar, wie diese Million Nutzer*innen ermittelt wird(Downloads, Nutzer:innen pro Jahr oder Woche), aber vor allem ist es ein Ausnahmetatbestand, der in der sonstigen Jugendschutzlandschaft seinesgleichen sucht. Stellen wir uns einmal vor, nur die Supermärkte dürften keinen Alkohol an Kinder verkaufen, welche mehr als 1000 Kund:innen haben. So wird Jugendmedienschutz zum Jugendschutz zweiter Klasse degradiert. Als LINKE fordern wir die bestehenden staatsfernen Kontrollstrukturen zu stärken, statt sie Herrn Seehofer vor die Füße zu werfen. Jugendmedienschutz kann nur zusammen mit den Kindern und Jugendlichen sowie ihren Erziehungsberechtigten funktionieren! Sie einzubinden und zu echter Medienkompetenz zu befähigen muss daher oberste Priorität haben. Alterssiegel sollten transparent erstellt werden, nachvollziehbar für Eltern und Kinder. Denn einem sollten wir uns immer gewahr sein: Keine Schutzmaßnahme ist so effektiv, wie befähigte und bestärkte Kinder und Jugendliche. Unser Entschließungsantrag zum Nachlesen: dserver.bundestag.de/btd/19/272/1927297.pdf