Veränderung beginnt in Opposition

Wie wären die vergangenen vier Jahre wohl ohne eine starke LINKE im Bundestag verlaufen? Hin und wieder werde ich gefragt: „Aber was macht Ihr denn ganz konkret da im Parlament?“. Denn während das Handeln und Nichthandeln der Regierenden tagtäglich Bestandteil der Berichterstattung ist, liegt unser Tun oft im Verborgenen.

Wir recherchieren, analysieren, kritisieren und skandalisieren gegebenenfalls was das Zeug hält und dennoch, wenn es am Ende in einer klassischen Nachricht heißt: „Die Regierung stellte XY vor, Kritik xyx kam von der LINKEN“, dann ist das schon ein Erfolg. Als kinder- und jugendpolitischer Sprecher meiner Fraktion habe ich vor allem das Agieren des Familienministeriums im Visier. Gemessen an Personal und Ressourcen, ist es ein ungleicher Kampf. Dennoch ist es uns immer wieder gelungen, den Finger in die Wunde zu legen. So habe ich als Kinderkommissionsvorsitzender dafür gesorgt, dass die Lage von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie endlich auch Gegenstand parlamentarischer Debatten wurde. Meinen Fraktionskollegen im Finanzausschuss ist es zu verdanken, dass der Wirecard-Skandal um Olaf Scholz mittels eines Untersuchungsausschusses aufgearbeitet wurde. Es sind mitunter sehr dicke Bretter, die wir als Opposition zu bohren haben. Beispiel 1: 1992 stellte die damalige PDS als erste Fraktion den Antrag, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Nach fast 20 Jahren tauchte diese Forderung auch endlich im Koalitionsvertrags von Union und SPD auf. Da sich die Regierungsparteien jedoch lange auf keine Formulierung einigen konnten, stellten wir einen eigenen Gesetzentwurf zur Diskussion. Mittlerweile ist klar: Auch in dieser Wahlperiode wird die längst überfällig Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung nicht kommen. Union und SPD konnten schlicht keine mehrheitsfähige Formulierung auf den Tisch legen. In dieser letzten Sitzungswoche blockierten sie sogar eine Abstimmung über die Gesetzentwürfe der LINKEN und der Grünen.

Beispiel 2: Die Koalition hat endlich eine Grundrente eingeführt, von der vor allem Ostdeutsche und Frauen profitieren sollen. Als LINKE fordern wir seit Jahren wirksame Maßnahmen gegen Altersarmut. Nur leider verspricht auch die neue Grundrente mehr als sie hält, weil immer noch sehr viele Menschen von ihr ausgeschlossen bleiben. Wir brauchen eine grundlegende Rentenreform, die das Rentenalter wieder nach unten korrigiert, das Rentenniveau anhebt und dafür sorgt, dass endlich alle, also auch Unternehmer:innen, Beamt:innen und Abgeordnete in die Rentenkasse einzahlen. Wer die gesetzliche Rente wirklich stärken will, ist nach wie vor bei uns an der richtigen Stelle!

Die größte Wirkung entfaltet linke Politik nach wie vor in der Einheit von öffentlichen und parlamentarischen Kämpfen. Beispielhaft dafür ist die Mieter:innenbewegung in Berlin. Sie hat die Politik regelrecht vor sich hergetrieben, sodass es unseren Koalitionären möglich war, den Mietendeckel durchzusetzen. Dieser ist zwar von der unternehmerfreundlichen Auslegung des Bundesverfassungsgerichts gekippt worden. Doch das war hoffentlich erst der Anfang, für eine Bewegung, die einen solchen auf Bundesebene durchsetzt.

Wenn es in fünf oder zehn Jahren in der Tagesschau heißt, dass ein Mietendeckel bundesweit eingeführt wurde, werde linke Stimmen mit Sicherheit keine Randnotiz sein.

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